Hand Hygiene Intensivstation OPHARDT
Forschung und Wissenschaft

Intensivstation: Nur 33% Händehygiene-Compliance

Ein Team von Forschern nahm die Händehygiene auf der Intensivstation an einem Universitätsklinikum genauer unter die Lupe. Das Ergebnis: Nur etwa jede Dritte erforderliche hygienische Händedesinfektion wurde vom Klinikpersonal durchgeführt.

Nach über 160 Stunden Hygiene-Beobachtung und mehr als 2000 erfassten Indikationen für eine Händedesinfektion herrscht Gewissheit. Gewissheit über die Händehygiene-Compliance auf der Intensivstation. Ein Forscherteam aus Bayern hat sich mit diesem Thema im Rahmen einer umfassenden Studie auseinandergesetzt.

Denn immerhin gilt die Händedesinfektion als wichtigste Einzelmaßnahme, um nosokomiale Infektionen zu verhindern. Insbesondere Patienten auf der Intensivstation zählen aufgrund ihres eingeschränkten Immunsystems zu den besonders infektionsanfälligen Personengruppen im Krankenhaus. Alleine in Europa versterben jährlich 135.000 Menschen an den Folgen einer Krankenhausinfektion [1].

Ein Bild von der Händehygiene-Compliance verschaffen

Intensivstation und Händehygiene-Compliance

Die Studie erfolgte auf einer Intensivstation mit insgesamt 24-Planbetten eines deutschen Universitätsklinikums. Die Beobachtung der notwendigen und tatsächlich durchgeführten Händedesinfektionen des Klinikpersonals fand über einen Zeitraum von vier Wochen statt. Für die Einordnung, ob eine Indikation für eine Händedesinfektion vorliegt, unterstützte das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 2009 eingeführte Modell „5 Momente der Händehygiene“, das sich sowohl international als auch national als Goldstandard etabliert hat.

Insgesamt erfassten die Forscher innerhalb der gesamten Zeitdauer von 168 Stunden 2036 indizierte Händedesinfektionen auf der Intensivstation, von denen allerdings nur in 690 Händedesinfektionen tatsächlich durchgeführt wurden. Dies entspricht einer Händehygiene-Compliance auf der Intensivstation von 33,9 Prozent.

Beim Blick auf die Details der Studie wird deutlich, dass vor allem vor aseptischen Tätigkeiten unterdurchschnittlich selten ein Händedesinfektionsmittelspender vom Personal der Intensivstation aufgesucht wird (22,0 Prozent). Gerade aseptische Tätigkeiten gelten aus infektiologischer Sicht als vergleichsweise kritisch.

Kaum Zeit auf der Intensivstation

Das A und O bei der Infektionsprävention

Die Forscher errechneten nicht nur die Händehygiene-Compliance. Auch die aufzuwendende Zeit, um alle notwendigen Händedesinfektionen durchzuführen, untersuchte Studie. Insgesamt ermittelten die Wissenschaftler, dass pro Patiententag 291 Händedesinfektionen gemäß dem Modell „5 Moments“ durchzuführen sind. Mit 247 Händedesinfektionen entfällt davon ein Großteil auf die Pflegekräfte. Bei einem Pflege-Patienten-Verhältnis von 1:2 und der Annahme, dass pro Handdesinfektion 30 Sekunden aufgewendet werden, entsteht für eine Pflegekraft auf der Intensivstation ein Zeitaufwand für die Händehygiene von 82 Minuten pro Schicht. Das entspricht 17 Prozent der Gesamtarbeitszeit.

Das Erreichen einer Händehygiene-Compliance von 100 % scheint im Kontext der hohen Arbeitsbelastung auf der Intensivstation utopisch zu sein.

Fazit der Studienautoren

Neben der hohen Arbeitsbelastung führen die bayerischen Forscher unkoordinierte Arbeitsabläufe als weiteren möglichen Grund für ein unzureichendes Händedesinfektionsverhalten auf. Im Rahmen der Studie wurde beobachtet, dass „unnötige“ Indikationen für eine Händedesinfektion häufig durch wechselnde Tätigkeiten des Personals entstanden.

Die wissenschaftliche Untersuchung unterstreicht einmal mehr, die Notwendigkeit einer verbesserten Händehygiene im Krankenhaus, speziell auf der Intensivstation.


Studie: Christian, Siebers, et al. “Hand Hygiene Compliance in the Intensive Care Unit-Hand Hygiene and Glove Changes.” American Journal of Infection Control (2023).

Quellen:

[1] European Centre for Disease Prevention and Control. Point prevalence survey of healthcare- associated infections and antimicrobial use in European acute care hospitals. Stockholm: ECDC; 2013. doi:10.2900/86011.

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