US-amerikanische Wissenschaftler untersuchten den Einfluss der Arbeitsbelastung auf die Händehygiene-Compliance in der Intensivmedizin. Ab einer bestimmten Belastungsgrenze verschlechtert sich das Hygieneverhalten enorm.
Auf deutschen Intensivstationen herrscht nicht erst seit der COVID-19-Pandemie ein Personalnotstand und eine gefährliche Überlastung der Arbeitskräfte. Die Leidtragenden sind die Patientinnen und Patienten, die bei ungünstigen Bedingungen möglicherweise nicht optimal behandelt werden können. Zu einer optimalen Behandlung zählt auch, dass die Händehygiene-Regeln vom Personal korrekt eingehalten werden. Doch dies ist laut aktuellen Beobachtungen und Ergebnissen von Forschern selten der Fall. Insbesondere bei steigender Arbeitsbelastung nutzt das Personal der Intensivstation die Händedesinfektionsmittelspender weniger.
Händehygiene auf Intensivstation abhängig vom Workload
Die entsprechenden Studienergebnisse sind 2022 in der September-Ausgabe des renommierten Fachjournals Infection Control & Hospital Epidemiology erschienen. Das Forscherteam führte im Rahmen der wissenschaftlichen Untersuchung Compliance-Beobachtungen durch und registrierte insgesamt 42.349 Indikationen für eine Händedesinfektion gemäß dem Modell „My five moments for hand hygiene“, das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen wird. [1]
Die Händehygiene-Compliance auf den Intensivstationen lag durchschnittlich bei etwa 40 Prozent, allerdings nur bis zu einem bestimmten Punkt. Mit einer höheren Arbeitsbelastung und einer damit einhergehenden höheren Anzahl an Indikationen für eine Händedesinfektion nahm die Händehygiene-Compliance ab. Laut Forscherteam stellte sich ein Wert von 30 Gelegenheiten pro Stunde als Grenzwert heraus. Ab dieser Marke nahm die Compliance um circa ein Prozent pro zusätzlicher Gelegenheit zur Handhygiene ab. Die Ergebnisse der amerikanischen Wissenschaftler zeigen eindrucksvoll, dass der Händehygiene-Compliance gewisse Grenzen gesetzt sind und eine hundertprozentige Umsetzung der Hygieneregeln nur sehr schwer zu erreichen ist.
Personal entlasten und Anreize für Händedesinfektion schaffen
Ein Ansatzpunkt liegt in einer Verbesserung der Personalausstattung, wodurch mögliche Belastungsspitzen und Versäumnisse bei der Händedesinfektion vermieden werden können. Auch über die Stellschraube „Hygieneinfrastruktur“ lassen sich positive Auswirkungen auf das Desinfektionsverhalten des Klinikpersonals erzielen.
Angefangen von Händedesinfektionsmittelspendern in auffälligen Signalfarben bis hin zu smarten Systemen, die dem Pflegepersonal und der Ärzteschaft eine visuelle Rückmeldung bei einer korrekten Benutzung des Desinfektionsspenders geben. Darüber hinaus betonen die Studienautoren in ihrem Fazit, dass die Händehygiene-Compliance insbesondere vor kritischen Indikationen wie dem Legen eines Katheters verbessert werden muss.
Studie zum Artikel “Hohe Arbeitsbelastung führt zu schlechter Händehygiene auf Intensivstation”: Chang N-CN, et al. (2022). The impact of workload on hand hygiene compliance: Is 100% compliance achievable?. Infection Control & Hospital Epidemiology, 43: 1259–1261, https://doi.org/10.1017/ice.2021.179
Weitere Literatur
[1] World Health Organization. “WHO guidelines on hand hygiene in health care.” WHO guidelines on hand hygiene in health care. 2009. 270-270.
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