Forschungsergebnisse weisen auf Probleme einer leitliniengerechten Umsetzung der Händedesinfektion hin.
Nosokomiale Infektionen stellen Gesundheitssysteme weltweit vor große Herausforderungen. Vergleichsweise häufig kommen sie auf Intensivstationen vor. In Deutschland ist etwa jeder 7. Intensivpatient betroffen. Nicht selten treten dadurch zusätzlich zur Haupterkrankung schwerwiegende Komplikationen auf und erschweren die Therapie erheblich. Einer sorgfältigen Desinfektion der Hände wird die wichtigste Rolle zur Vermeidung von Krankenhausinfektionen und deren schwerwiegenden Folgen zugerechnet.
Arbeitsverdichtung als Hürde bei Compliance
Dem Wissen der herausragenden Bedeutung der hygienischen Händedesinfektion steht eine lückenhafte Durchführung im praktischen Klinikalltag gegenüber. Die Gründe sind vielfältig und reichen von einer unzureichenden Verfügbarkeit von Desinfektionsmittel bis zu akutem Zeitmangel des Pflegepersonals.
Wie viel Zeit eine richtliniengetreue Händehygiene auf der Intensivstation tatsächlich beansprucht und dem ohnehin schon unter Arbeitsdruck stehendem Personal „auferlegt“, untersuchten Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover.
Im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie beobachteten sie auf einer internistischen und einer chirurgischen Intensivstation das Hygieneverhalten. Auf Basis des WHO-Modells der „Fünf Momente der Händehygiene“ wurden die Anzahl der Indikationen für eine hygienische Händedesinfektion mit der Anzahl der tatsächlich durchgeführten Händedesinfektionen verglichen. Ferner untersuchten die Experten die Dauer einzelner Händedesinfektionen und Abweichungen von den vorgeschriebenen 30 Sekunden je Hygiene-Ereignis.
Regelkonforme Händedesinfektion auf Intensivstation praktisch nicht möglich
In einer Gesamtbeobachtungszeit von 144 Stunden erfassten die Forscher insgesamt 1896 Händehygiene-Indikationen und extrapolierten die Werte für einzelne Patiententage. So entstanden auf der internistischen Intensivstation 218, auf der chirurgischen Intensivstation 271 notwendige Händedesinfektionen pro Patient und pro Tag. Unter Annahme des durchschnittlichen Pflegeschlüssels von knapp 2,5 Patienten pro Pflegekraft auf Intensivstationen und der empfohlenen Einreibezeit von einer halben Minuten, müsste eine Pflegekraft während einer achtstündigen Arbeitsschicht über 70 Minuten allein für Händedesinfektion berücksichtigen. Eine bedenkliche Situation.
Nicht verwunderlich, dass die Praxis ein anderes Bild zeigt und stark von der Theorie abweicht: Die Arbeit der Forscher offenbart, dass vom Intensivpersonal für die Desinfektion der Hände lediglich 10 Minuten aufgebracht wurden. Ein Grund liegt in der geringen Einreibedauer von 7,6 Sekunden pro Ereignis. Überhaupt wurden nur 42,6 Prozent der notwendigen Händedesinfektionen durchgeführt.
Die Ergebnisse zeigen eindeutig: Eine adäquate Händehygiene in der Intensivpflege braucht Zeit – Zeit die jedoch nicht immer vorhanden ist, was in erster Linie den Patientenschutz gefährdet. Eine Anpassung des Personalschlüssels könnte zu einer nachhaltigen Verbesserung der Situation führen. Weitere Maßnahmen zur korrekten Durchführung einer Händedesinfektion sollten als Bestandteil von Interventionsstrategien ebenfalls berücksichtigt werden – hier ist als Beispiel ein direktes Feedback zur ausreichenden Entnahmemenge von Händedesinfektionsmittel zu nennen.
Quelle: Stahmeyer JT, Lutze B, von Lengerke T et al (2017) Hand hygiene in intensive care units: a matter of time? J Hosp Infect 95:338–343.
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