Mit dem Beginn der warmen Jahreszeit endet die saisonale Influenza auf der Nordhalbkugel. Besonders auffällig sind die vergleichsweise kurze Dauer und das abrupte Ende der Grippesaison 2019/2020. Ein wesentlicher Grund dafür: Die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie.
Während die ganze Welt auf das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2) und die Infektionskrankheit COVID-19 schaut, fand die diesjährige und kürzlich beendete Grippesaison weitestgehend wenig Beachtung – zumindest bei einem Großteil der Bevölkerung. Dabei hat sich die Corona-Pandemie unmittelbar auf den Verlauf der Influenza ausgewirkt. Wir blicken zurück und fassen die wichtigsten Informationen zusammen.
Dominante Virustypen
Influenza-Viren werden allgemein in drei Typen unterteilt: A, B und C. In dieser Saison dominierte wie im vergangenen Jahr in der gesamten nördlichen Hemisphäre das Influenzavirus Typ A. Während der gesamten Grippesaison identifizierte die Arbeitsgemeinschaft Influenza des Robert Koch-Instituts (RKI) insgesamt 916 verschiedene Influenzaviren. In 45% aller Fälle handelte es sich um Influenza A(H3N2)-Viren. Gefolgt von Influenza A(H1N1)pdm09-Viren mit 41% und dem 14% Typ-B-Viren. [1]
“Der klassische Übertragungsweg für Grippeviren und Coronaviren ist die Tröpfcheninfektion, jedoch ist auch eine Schmierinfektion über kontaminierte Oberflächen und dann via Hände möglich. Damit kommt der Händehygiene auch bei diesen viralen Infektionen eine herausragende Rolle zu. Neben dem Händewaschen mit Seife ist die hygienische Händedesinfektion mit alkoholischen Desinfektionsmitteln ein probates Mittel, um diese Viren von den Händen zu eliminieren. Jedoch ist bei der Auswahl des Händedesinfektionsmittels darauf zu achten, das behüllte Viren in derem Wirkspektrum liegen. Das heißt, sie müssen mindestens begrenzt viruzid sein.”
Dr. med. Andreas Glöckner, Medical Director
Bezogen auf den gesamten Kontinent ermittelte das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC), dass bei etwa drei von vier Grippefällen der Virustyp A verantwortlich war. [2] Dieser Influenzatyp dominierte auch in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA), wie Zahlen vom Centers for Disease Control and Prevention (CDC) zeigen. Auffällig hier: Erst mit steigendem Alter stieg der Anteil vom Typ A deutlich und in der Altersgruppe 5 – 24 Jahre war sogar Virustyp B dominant. [3]
Dauer der Grippesaison
Um es vorweg zu nehmen: Die Influenzasaison 2019/2020 hatte nur einen „kurzen Auftritt“. So berichtet das RKI in seinem Epidemiologischen Bulletin, dass die Grippewelle in Deutschland mit Beginn der zweiten Kalenderwoche 2020 lediglich elf Wochen zirkulierte und somit im Vergleich zu den Vorjahren mindestens zwei Wochen kürzer dauerte. [4] Den Höhepunkt erreichte sie dabei zwischen den Wochen fünf und sieben. Auch im europäischen Ausland brachen die Influenza-Infektionen mit der Kalenderwoche 13 drastisch ein und sorgten so für ein abruptes, verfrühtes Ende der Grippewelle. [5]
Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Die eingeleiteten Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19, entzogen auch den Influenzaviren den „Nährboden“ für eine weitere Verbreitung in der Bevölkerung. Denn hinsichtlich der Übertragungswege sind die beiden Infektionskrankheiten nahezu identisch und werden primär per Tröpfcheninfektion und auch über den direkten Kontakt der Hände zu Oberflächen, die mit den Viren kontaminiert sind, übertragen. So gesehen haben die global durchgesetzten Anordnungen wie Ausgangssperren, Schulschließungen und das Absagen von größeren Veranstaltungen erheblich für den vorzeitigen Abbruch der Grippewelle gesorgt.
“Zu dieser Verkürzung, […], dürften die bundesweiten Maßnahmen zur Eindämmung und Verlangsamung der COVID-19-Pandemie in Deutschland erheblich beigetragen haben. Da Kinder für die Verbreitung der jährlichen Grippe eine wesentliche Rolle spielen, sind hier insbesondere die Schulschließungen ab der 12. KW 2020 zu nennen.”
Robert Koch-Institut
Selbstverständlich sind in diesem Zusammenhang die nicht minder wichtigen Infektionsschutzmaßnahmen zu nennen. Vor allem durch die Kontaktbeschränkungen in der Öffentlichkeit und die Bereitstellung von Desinfektionssäulen für die Händehygiene verlangsamte sich die Verbreitung der Grippe. Im Gegensatz zu SARS-CoV-2 darf die Impfung für die saisonale Influenza-Grippe als zusätzlicher Schutz nicht unerwähnt bleiben.
Wobei wichtig zu erwähnen ist, dass die Influenzaschutzimpfung für diese Saison in allen Altersgruppen lediglich eine Wirksamkeit von 30% bis 60% aufwies – das sagen zumindest die Ergebnisse einer aktuellen Studie für alle Länder der Europäischen Union und Großbritannien. [6]
Wie viele Grippefälle gab es?
Trotz der vergleichsweise kurzen Grippewelle wurden dem RKI bis Mitte Mai 186.919 bestätigte Grippeinfektionen für Deutschland gemeldet, was in etwa den Ergebnissen der Grippesaison 2018/2019 entspricht. 16% aller Infizierten mussten im Krankenhaus behandelt werden. Eine weitere Parallele zu der letztjährigen Saison: Die insgesamt 4,2 Millionen Influenza-bedingten Arztbesuche. Daneben berichtet das RKI von über 500 Todesfällen die in Zusammenhang mit einer Influenzavirus-Infektion stehen. [1,4]
Im Vergleich zu der Grippewelle 2017/2018, die über 25.000 Todesopfer im gesamten Bundesgebiet forderte, fällt die diesjährige Saison weitaus weniger gravierend aus.
Und wie sieht es in Nordamerika aus? Erste Schätzungen vom CDC ergeben für die USA mindestens 24.000 Influenza-bedingte Todesfälle und mehr als 18 Millionen Arztbesuche, die im Zusammenhang mit der sogenannten „Flu“ stehen. [7] Im nördlich gelegenen Nachbarland Kanada infizierten sich knapp über 42.500 Personen mit dem Influenzavirus. [8]
Japanische Forscher vom Universitätskrankenhaus Kyoto stellten zudem in einer aktuell veröffentlichten Studie heraus, dass die COVID-19-Pandemie zumindest in Ostasien einen Einfluss auf die saisonale Grippe hatte, mit der Konsequenz, dass weniger Infektionen auftraten. Sie führen dies unter anderem auf ein höheres Gesundheitsbewusstsein zurück, das die Infektionsprävention inkludiert. [9]
Händehygiene bleibt oberstes Gebot
Es bleibt zu hoffen, dass sich das allgemeine Empfinden für eine gute Hygiene durch COVID-19 nachhaltig etabliert, um auch in Zukunft der saisonalen Grippewelle effektiv zu begegnen. Wie bereits vorab beschrieben, schützt die jährliche Influenza-Impfung nur in Teilen, sodass der Händehygiene stets eine hohe Bedeutung zukommt. Ein wesentlicher Fokus wird dabei auf der Verfügbarkeit von Gelegenheiten zur Händedesinfektion in sämtlichen Eingangsbereichen liegen. Hierzu publizierte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kürzlich eine entsprechende Empfehlung, die sich an alle öffentlichen Einrichtungen der UN-Mitgliedsstaaten richtet und ursprünglich auf die Eindämmung von COVID-19 abzielt, aber selbstverständlich auch den Grippeviren den Garaus macht. [10]
Da wie vorab erwähnt vor allem Kinder eine zentrale Rolle bei der Verbreitung der Grippe spielen, ist ein weiteres Augenmerk auf die Hygiene-Infrastruktur in Bildungs- und Erziehungseinrichtungen zu legen, um dort vor allem das regelmäßige Waschen vernünftig praktizieren zu können. Eine Studie aus dem Jahr 2015 unterstreicht die Relevanz einer sorgfältigen Händehygiene in Erziehungseinrichtungen, um die Grippefälle bei Kindern zu senken. [11]
Quellen:
[1] Robert Koch-Institut – Arbeitsgemeinschaft Influenza “Influenza Wochenbericht”. Kalenderwoche 20/2020
[2] ECDC Surveillance Report. “Influenza virus characterisation, Summary Europe, April 2020“
[3] CDC “Age Group Distribution of Influenza Positive Specimens Reported by Public Health Laboratories, National Summary, 2019-20 Influenza Season through the Week Ending May 23, 2020”
[4] Goerlitz, Luise, et al. “Erste Ergebnisse zum Verlauf der Grippewelle in der Saison 2019/20: Mit 11 Wochen vergleichsweise kürzere Dauer und eine moderate Anzahl an Influenza-bedingten Arztbesuchen.” (2020).
[5] ECDC. “Weekly influenza update, week 18, May 2020”
[6] Rose, Angela, et al. “Interim 2019/20 influenza vaccine effectiveness: six European studies, September 2019 to January 2020.” Eurosurveillance 25.10 (2020): 2000153.
[7] Centers for Disease Control and Prevention. “2019-2020 U.S. Flu Season: Preliminary Burden Estimates”
[8] Public Health Agency of Canada. “FluWatch report: April 5 to May 9, 2020 (weeks 15 to 19)”
[9] Itaya, Takahiro, Yuki Furuse, and Kazuaki Jindai. “Does COVID-19 infection impact on the trend of seasonal influenza infection? 11 countries and regions, from 2014 to 2020.” International Journal of Infectious Diseases (2020).
[10] Weltgesundheitsorganisation “Recommendations to Member States to improve hand hygiene practices to help prevent the transmission of the COVID-19 virus”, 1. April 2020
[11] Torner, Núria, et al. “Effectiveness of non-pharmaceutical measures in preventing pediatric influenza: a case–control study.” BMC public health 15.1 (2015): 543.
[…] Grippesaison 2019/2020 durch COVID-19 beeinflusst […]
[…] Grippesaison 2019/2020 durch COVID-19 beeinflusst […]
[…] post Grippesaison 2019/2020 durch COVID-19 beeinflusst appeared first on Hygiene […]
[…] Realität mit Pandemien konfrontiert. Sei es die Vogelgrippe zu Beginn des Jahrtausends oder die saisonale Grippe, mit der wir uns Jahr für Jahr auseinandersetzen müssen. Zumindest in der subjektiven Wahrnehmung […]
[…] Grippesaison 2019/2020 durch COVID-19 beeinflusst […]
[…] von draußen in die Praxis. Dabei ist die Maßnahme nicht nur in Zeiten von COVID-19 und der saisonalen Grippe sinnvoll – auch außerhalb von zeitlich gehäuften Infektionsfällen schützt die Händehygiene […]
[…] Grippesaison 2019/2020 durch COVID-19 beeinflusst […]
[…] gerade wenn wir an den Trend im Bereich der Antibiotikaresistenzen denken oder die Umstände der Covid-19-Pandemie betrachten. Es darf also getrost behauptet werden, dass das Aufgabengebiet der Hygienefachkraft […]
[…] kommt hinzu, dass die Impfung in der abgelaufenen Grippesaison 2019/2020 nur eine Wirksamkeit von 30 – 60% zeigte und folglich keine Garantie für einen […]
[…] kommt hinzu, dass die Impfung in der abgelaufenen Grippesaison 2019/2020 nur eine Wirksamkeit von 30 – 60% zeigte und folglich keine Garantie für einen Infektionsschutz […]
[…] medizinisch behandelt werden müssten. Die Basis hier bildet das Infektionsgeschehen im Jahr 2019/2020. In dieser Saison wurden deutschlandweit 30.000 Menschen aufgrund einer Infektion mit dem […]