Studien stellen das bekannte Modell der 6 Schritte der hygienischen Händedesinfektion auf den Prüfstein. Ändert sich die Einreibemethode in Zukunft grundlegend?
Die hygienische Händedesinfektion gilt bekanntermaßen als wichtigste Maßnahme zur Vermeidung von nosokomialen Infektionen. In der Krankenhaushygiene weist keine andere Maßnahme eine so hohe epidemiologische Evidenz für den Patientenschutz auf. Zur Durchführung einer hygienischen Händedesinfektion werden alkoholbasierte Präparate eingesetzt, die vor allem Erreger der transienten Hautflora abtöten bzw. inaktivieren sollen – mindestens um 5 log10-Stufen. Dem Händewaschen ist das Desinfizieren somit klar überlegen.
Doch die hygienische Händedesinfektion ist kein Selbstläufer – das Zusammenspiel mehrerer Parameter entscheidet über die Effektivität dieser Infektionsschutz-Maßnahme. Grundvoraussetzung ist ein Händedesinfektionsmittel mit einem spezifischen Wirkspektrum, das abhängig von den zu inaktivierenden Pathogenen gewählt wird. In jedem Fall muss es bakterielle Krankheitserreger und Hefen abdecken. Im medizinischen Alltag kommen jedoch häufig begrenzt viruzide oder auch je nach Viruserkrankung viruzide Mittel zum Einsatz.
Händedesinfektion erfordert ausreichend Entnahmemenge
Wenn’s zu der Händedesinfektion bei der Patientenversorgung kommt, ist die entnommene Menge von wesentlicher Bedeutung, um die gewünschte Keimreduktion zu erreichen. In der Literatur, genau genommen vom Robert Koch-Institut, werden mindestens drei Milliliter (ml) empfohlen. [1] Bereits hier scheitert es allerdings häufig an der korrekten Umsetzung. Studien offenbaren, dass das Krankenhauspersonal häufig weniger Flüssigkeit entnimmt. Eine Arbeit von Prof. Simone Scheithauer an der Uniklinik Aachen stellte eine durchschnittliche Entnahmemenge von 1,69 ml pro Händedesinfektion fest. Erst durch regelmäßiges Händehygiene-Feedback an die Pfleger und Ärzte stieg der Wert auf 2,66 ml pro Desinfektion. [2]
Welchen Einfluss die Menge an Händedesinfektionsmittel auf der Hand hat, verdeutlicht eine Studie von Prof. Günter Kampf: Sobald weniger als 2 Milliliter entnommen werden, treten Benetzungslücken von über 60 Prozent auf – das spielt den Erregern sozusagen in die Hände. [3]
Händedesinfektionsmittel: Wie einreiben?
Sobald es genügend Desinfektionsmittel von dem Eurospender auf die Hände geschafft hat, muss es das alkoholbasierte Präparat durch sorgfältiges Einreiben noch in alle Areale schaffen. Als Basis für die Schritte der hygienischen Händedesinfektion dient die DIN EN 1500. Das Modell basiert auf einem 30-sekündigen Vorgehen und umfasst neben den Handflächen und Handrücken alle weitere wichtige Bereiche. Hierzu zählen insbesondere Fingerspitzen, Daumen, Nagelfalze und auch die Handgelenke. Sowohl nationale als auch internationale Institutionen orientieren sich an diesem Standard, der dem medizinischen Personal im Klinikalltag als Hilfestellung dienen soll. Soweit so gut.
Es gibt jedoch auch Kritiker dieses Ansatzes, die sich eher für ein vereinfachtes Verfahren stark machen. Der Grund liegt unter anderem in der immer noch mangelhaften Händehygiene-Compliance im Krankenhaus. Nach Meinungen der „6-Schritte-Widersacher“ kann mit einer weniger strikten Einreibemethode womöglich ein Anstieg der Händedesinfektionen und somit eine Verbesserung des Patientenschutzes erreicht werden.
Die 3 Schritte der Händedesinfektion
Um diese These zu stützen, untersuchten Wissenschaftler am Universitätsspital Basel, wie sich eine Simplifizierung der konventionellen sechs Schritte zu drei Schritten auf die Händehygiene-Compliance im Krankenhaus auswirkt. Zusätzlich ermittelten sie den Einfluss der angepassten Technik auf die Keimreduktion. [4]
Die Studie wurde von dem Forscherteam um Prof. Sarah Tschudin-Sutter auf zwölf Stationen der renommierten Uniklinik durchgeführt. Die neu definierten 3 Schritte der hygienischen Händedesinfektion umfassten:
- das Verteilen auf Handflächen und Handrücken inklusive der Handgelenke
- das kreisende Reiben der Fingerkuppen in der gegenüberliegenden Hand
- das kreisende Reiben des Daumens in der gegenüberliegenden Hand
Einreibezeit und Entnahmemenge des Desinfektionsmittels blieben bei der angepassten Technik unverändert. Sprich: 30 Sekunden mit 3 ml Händedesinfektionsmittel.
Händehygiene-Compliance verbessert?
Um zu vergleichen, wie sich das Händehygieneverhalten der Krankenhausmitarbeiter durch die vereinfachte Vorgehensweise veränderte, beobachteten vier geschulte Mitarbeiter das Geschehen auf den Stationen. Basierend auf den fünf Momenten der Händehygiene erfassten die Beobachter, ob zu einem erforderlichen Zeitpunkt auch eine Desinfektion erfolgte.
Über zwei Monate hinweg wurden über 2.900 erforderliche Händedesinfektionen auf den teilnehmenden Krankenhausstationen beobachtet, die sich ungefähr gleich auf die 3-Schritt-Methode und 6-Schritt-Methode aufteilten.
Bei Betrachtung der Ergebnisse wird deutlich: Die vereinfachte Einreibetechnik führt im Vergleich zur klassischen Vorgehensweise zu einer signifikant besseren Händehygiene-Compliance (75,9 % vs. 65,0 %).
Mikrobiologische Bewertung
Bleibt noch der Blick auf die mikrobiologischen Ergebnisse. Bei der Untersuchung wurden klinisch relevante Erreger wie Staphylococcus aureus berücksichtigt und die Reduktion anhand der koloniebildenden Einheiten erfasst. In der Gegenüberstellung beider Methoden fällt auf, dass es keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Keimreduktion gibt und somit aus mikrobiologischer Sicht eine Vereinfachung der Einreibemethode bedenkenlos ist.
Fazit für die Krankenhaushygiene
Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass die sechs Schritte der hygienischen Händedesinfektion nicht in Stein gemeißelt sind und eine vereinfachte, leicht verständlichere Alternative in puncto Compliance durchaus sinnvoll erscheint.
Wichtig ist letztendlich, dass alle Hautareale mit einer ausreichenden Menge von 3 ml und für 30 Sekunden benetzt werden. Besonders die häufig vergessenen Flächen an den Fingerkuppen und Daumen bedürfen Aufmerksamkeit, da hier die Keimdichte vergleichsweise hoch ist.
Technologische Innovationen im Bereich der Händehygiene wie die ingo-man SmartNose führen dazu, dass die Handdesinfektion aus quantitativer als auch qualitativer Sicht weiter optimiert wird. Über eine grüne Feedback-LED meldet die Hygiene-Neuheit dem medizinischen Personal zurück, ob genügend Händedesinfektionsmittel aus dem Eurospender entnommen wurde.
Quellen:
[1] Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Insitut “Händehygiene in Einrichtungen des Gesundheitswesens.” Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz 9 (2016): 1189.
[2] Scheithauer S et al. Do WiFi-based hand hygiene dispenser systems increase hand hygiene Compliance? Am J Infect Control. 2018;46:1192-1194
[3] Kampf G et al. Less and less–influence of volume on hand coverage and bactericidal efficacy in hand disinfection. BMC infectious diseases. 2013;13: 472.
[4] Tschudin-Sutter, Sarah, et al. “Simplifying the World Health Organization protocol: 3 steps versus 6 steps for performance of hand hygiene in a cluster-randomized trial.” Clinical Infectious Diseases 69.4 (2019): 614-620.
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