Händedesinfektionsmittel Kittelflasche
Desinfektionsmittel im kompakten Flaschenformat
Forschung und Wissenschaft

Kitteltaschenflaschen: notwendig oder überflüssig?

Tragbare Spender zeigen keinen Effekt auf Händehygiene-Compliance auf Stationen mit guter Spenderausstattung.

Das Desinfizieren der Hände gilt als wichtigste und zugleich einfachste Maßnahme zur Vermeidung von nosokomialen Infektionen. Zu welchem Zeitpunkt eine Händedesinfektion im medizinischen Alltag durchgeführt werden soll, beschreibt die Weltgesundheitsorganisation in ihrem im Jahr 2009 entwickelten Modell „5 Momente der Händehygiene“. Zur indikationsgerechten Durchführung der Händedesinfektion sind entsprechende Gelegenheiten und Vorrichtungen zur Entnahme von alkoholbasierten Präparaten unerlässlich.

Robert Koch-Institut setzt Vorgaben bei Spenderausstattung

Kliniken und Krankenhäuser greifen in der Regel auf wandmontierte Spendersysteme zurück, um einen optimalen Ausstattungsgrad zu erreichen. Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch-Institut (KRINKO) legt in ihrer Empfehlung zur Händehygiene in Einrichtungen des Gesundheitswesens genau fest, wo und wie viele Hygienespender „auf Station“ vorzusehen sind. Die Kommission empfiehlt als Mindestausstattung für Patientenzimmer auf Intensiv- und Dialysestationen bettennah ein Spender pro Patientenbett. Auf Normalstationen ist ein Spender für zwei Patientenbetten vorzusehen. Die patientennahe Installation hat dabei einen entscheidenden Vorteil: Für die Krankenhausmitarbeiter entstehen während der Patientenversorgung keine zusätzlichen Wege. Das erhöht die Compliance und den Infektionsschutz effektiv.

In besonderen Fällen setzen medizinische Einrichtungen auf sogenannte Kitteltaschenflaschen. Die tragbaren Spendersysteme sollen die Händehygiene dann sicherstellen, wenn wandmontierte Spender situationsbedingt nicht verfügbar sind. Einfach in der Tasche des Kittels oder Kasacks transportiert, stellen die Flaschen mit einer üblichen Füllmenge von 100 ml eine permanente Verfügbarkeit von Desinfektionsmittel sicher.

Inwiefern die Lösung im Rahmen multimodaler Interventionen jedoch zur Verbesserung der Patientensicherheit einen Mehrwert darstellt, ist bisher wenig untersucht.

Ausreichend wandmontierte Spender erübrigen Kittelflaschen

Welche Auswirkungen der Einsatz von Kitteltaschenflaschen auf das Händehygieneverhalten hat, zeigt ein aktuelle Studie, die von Wissenschaftlern an dem Unispital Zürich durchgeführt wurde. Das Forscherteam stattete dazu auf einer Notaufnahme das Krankenhauspersonal mit den tragbaren Spendersystemen aus und schulte die Mitarbeiter im richtigen Umgang mit den „kleinen Fläschchen“. Zusätzlich unterstützten bereits vorhandene wandmontierte Dosierspender und Tischgeräte die Händehygiene auf der Station. Darunter 34 Spender in unmittelbarer Nähe der Patientenbetten.

Neben der Erfassung des Händedesinfektionsmittelverbrauchs, verteilten die Forscher einen Fragebogen an das Klinikpersonal, um die subjektive Wahrnehmung der Studienteilnehmer im praktischen Umgang mit den tragbaren Flaschen zu ermitteln.

Das primäre Ergebnis: Während der Interventionsphase entfielen 7,5 Prozent des gesamten Desinfektionsmittelverbrauchs auf die Kitteltaschenflaschen. Einen signifikanten Anstieg des Verbrauchs bzw. der beobachteten Compliance stellte das Wissenschaftler-Team nicht fest.

Hindernisse: Ergonomie und Design

Der am häufigsten berichtete Grund für die vergleichsweise geringe Nutzungsfrequenz der mobilen Kittel-Lösungen lag in der schlechten Handhabung. Des Weiteren äußerten die befragten Ärzte, Pflegefachkräfte und andere medizinische Angestellte Sicherheitsbedenken hinsichtlich mikrobieller Kontaminationen der Flasche: Häufig in Berührung mit der bloßen Hand, verkeimt die Oberfläche schnell und begünstigt ein Transmission von Erregern. Auch die in bereits hoher Anzahl verfügbaren wandmontierten Händedesinfektionsmittelspender spielten eine große Rolle bei dem Nutzungsverhalten der Kittelflaschen. Speziell die patientennahen Spendersysteme boten dem Personal eine schnelle Produktverfügbarkeit, ohne dass auf andere Lösungen zurückgegriffen werden musste.

Es bleibt festzuhalten: Mit einer ausreichenden Ausstattung festinstallierter, wandmontierter Hygienespender lassen sich ein Großteil der erforderlichen Händedesinfektionen durchführen. Insbesondere der Einsatz von Haltelösungen, die den Spender in die Nähe der Patienten bringen, erweist sich als wichtige Compliance-fördernde Maßnahme.

Der Einsatz von Kitteltaschenflaschen ist in weniger gut ausgestatteten Stationen oder räumlich beengten Verhältnissen als sinnvoll anzusehen. Auch ökologische und ökonomische Aspekte sind bei der Einführung zu berücksichtigen. Im Vergleich zu handelsüblichen 500 ml und 1.000 ml Euroflaschen ist die handliche 100 ml Flasche kostenintensiver und reicht bei richtiger Einreibetechnik für maximal etwas mehr als 30 Händedesinfektionen. Die Empfehlung der KRINKO lautet, die kleinen Flaschen nicht wieder zu befüllen, durch die geforderte Einmalverwendung entsteht eine zusätzliche Belastung für die Umwelt. Wichtig bei der Wahl eines Händedesinfektionsmittelspender ist zudem, dass dieser Gebinde unterschiedlicher Chemie-Hersteller aufnimmt. 

Quelle: Keller, J., Wolfensberger, A., Clack, L., Kuster, S. P., Dunic, M., Eis, D., Flammer, Y., Keller, D. I. & Sax, H. (2018). Do wearable alcohol-based handrub dispensers increase hand hygiene compliance?-a mixed-methods study. Antimicrobial Resistance & Infection Control, 7(1), 143.

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