Alleine in Deutschland sterben pro Jahr 70.000 Menschen an einem sogenannten septischen Syndrom. Zum Welt-Sepsis-Tag am 13. September wird auch in diesem Jahr auf die Gefahren der Erkrankung aufmerksam gemacht und besonders die Bedeutung geeigneter Präventionsmaßnahmen hervorgehoben.
Jede Minute zählt: Eine Floskel die vielleicht am besten auf eine Sepsis zutrifft. Denn mit jeder Stunde, in der diese nicht adäquat behandelt wird, sinken die Überlebenschancen um durchschnittlich 7,6 Prozent – „time is life“. So liegt die Wahrscheinlichkeit eine Sepsis bzw. den septischen Schock nach über neun Stunden ohne antiinfektive Therapie zu überleben bei 25 Prozent. Eine Antibiotikabehandlung innerhalb der ersten 60 Minuten rettet im Schnitt vier von fünf Erkrankten das Leben. [1] Laut Robert Koch-Institut ist die Sepsis in Deutschland die häufigste Todesursache infolge einer Infektion. Basierend auf Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erleiden mehr als 30 Millionen Menschen pro Jahr eine Sepsis – infolge dessen sechs Millionen versterben. [2]
Aktuellere Zahlen aus dem Journal The Lancet gehen sogar von noch höheren Fallzahlen und sepsisbedingten Todesfällen aus. [9] Das Forscherteam Kristina Rudd geht von jährlich knapp 50 Millionen Fällen aus – 11 Millionen Menschen sterben an den Folgen.
Aus ökonomischer Sicht verursacht die Sepsis alleine in den USA Behandlungskosten von insgesamt 27 Milliarden US-Dollar pro Jahr und gilt dort somit als kostenintensivste Krankheit im stationären Bereich. [3] Für Deutschland existieren Daten, dass pro Sepsis-Fall Ausgaben von über 27.000 Euro anfallen.
„Nach Herz-Kreislauferkrankungen und Krebs stellt die Sepsis die dritthäufigste Todesursache in Deutschland dar. Leider wird die Erkrankung aber häufig unterschätzt und zu spät diagnostiziert.“
Dr. med. Andreas Glöckner, Medical Director
Die genannten Zahlen zeigen das verheerende Ausmaß dieser Erkrankung. Eine Sepsis entsteht relativ häufig aus einer Lungenentzündung oder einer Infektion des Magendarmtraktes. Wenn die Erreger aus diesen Quellen in die Blutbahn gelangen, breiten sich diese schnell aus und setzen eine zunächst hilfreiche Abwehrkaskade des Körpers in Gang. Eine übermäßig hervorgerufene und fehlgesteuerte Abwehrreaktion des Körpers, die Ursache der Sepsis ist, macht eine schnelle Therapie unabdingbar. Problematisch wird es jedoch, wenn antibiotikaresistente Bakterien im Spiel sind und die Behandlung der Erreger mit den bis dato „gängigen Waffen“ nicht mehr möglich ist. Die aktuelle Entwicklung in der Zunahme von (Multi-)Resistenzen stellt die kalkulierte, aber auch gezielte Antibiotika-Therapie gerade bei der Sepsis vor neue Herausforderungen.
Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Diagnose. Bis eine Sepsis und die verantwortlichen Erreger eindeutig festgestellt werden können, vergeht wertvolle Zeit. Ein ganzer Industrie- und Forschungszweig beschäftigt sich damit, die Erregeridentifikation schneller und sicherer zu machen.
Das Übel an der Wurzel packen
Jedoch noch wichtiger sind wirkungsvolle präventive Maßnahmen. Hier ist an erster Stelle eine sorgfältig praktizierte Händehygiene anzuführen. Denn in etwa 80% aller Fälle, werden Infektionen über diese übertragen. Mit jeder vermiedenen Infektion sinkt auch effektiv das Risiko, dass sich daraus eine lebensbedrohliche Sepsis entwickelt.
Gerade in Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäusern treten septische Ereignisse verhältnismäßig häufig auf. Intensivstationen sind die Bereiche mit den höchsten Fallzahlen. Doch gerade hier wird eine sorgfältige Händedesinfektion quantitativ und qualitativ nur lückenhaft umgesetzt. Händehygiene Compliance-Werte unter fünfzig Prozent sind keine Seltenheit. [4] Die steigende Arbeitsbelastung in der Pflege ist eine bedeutende Hürde bei der vorschriftsmäßigen Händedesinfektion auf der personellen Ebene. Hinsichtlich der Infrastruktur lassen sich in der Praxis einige Faktoren identifizieren, die einen negativen Einfluss auf das Händehygieneverhalten haben. Zum Beispiel: fehlende oder schlecht platzierte Desinfektionsmittelspender, die nicht auf den Workflow des Krankenhauspersonals ausgerichtet sind. Gerade an dieser Stellschraube lässt sich mit kleinen aber entscheidenden Spenderdetails viel erreichen:
Welchen positiven Einfluss ein optimierter Spenderstandort auf die Händehygiene und somit auf die Infektionsvermeidung hat, zeigt eine Untersuchung von Cure und Van Enk aus dem Jahr 2015 eindrucksvoll. Die Wissenschaftler stellten fest, dass eine verbesserte Zugänglichkeit und Sichtbarkeit eines Händedesinfektionsmittelspenders mit einer erhöhten Compliance-Rate einhergeht. [5]
Haltelösungen, die eine Anbringung von Hygienespendern am sogenannten Point-of-Care ermöglichen, der Einsatz von Signalfarben für eine höhere Aufmerksamkeit, Erkenntnisse über die optimalen Installationsstandorte dank intelligenter Spendersysteme, die ihre Nutzungsdaten kontinuierlich erfassen.
Darüber hinaus existieren zahlreiche weitere wissenschaftlich untersuchte Maßnahmen, durch die das Hygieneverhalten von Ärzten und Pflegepersonal verbessert werden kann: Feedback, Schulungen und Erinnerungshilfen – um nur einige zu nennen [6,7].
Es zeigt sich: geeignete Problemlöser liegen auf der Hand – nun gilt es diese praktisch umzusetzen.
„Das Ziel muss sein, nosokomiale Infektionen zu verhindern, um der Sepsis den Nährboden zu entziehen. Dabei nimmt die Händedesinfektion eine Schlüsselrolle ein.“
Dr. med. Andreas Glöckner, Medical Director
Auch die WHO plädiert für den präventiven Ansatz, um sepsis-assoziierte Todesfälle zu vermeiden. Getreu dem Motto »Infektionsvermeidung bedeutet Sepsisvermeidung« widmete sie den Welthändehygienetag 2018 der Sepsis-Prävention in medizinischen Einrichtungen. Mit ihrer Sepsis-Resolution ein Jahr zuvor forderte die Organisation ihre über 190 Mitgliedsstaaten dazu auf, die in der Resolution verabschiedeten Maßnahmen, auf nationaler Ebene umzusetzen. Kernforderung hier: die Vermeidung von nosokomialen Infektionen. [8]
Mit dem anstehenden Welt-Sepsis-Tag am 13. September, der sich zum achten Mal jährt, wird diese Arbeit weiter fortgesetzt und für die Gefahren einer Sepsis sensibilisiert. Ob das Ziel der Global Sepsis Alliance, die auch den globalen Aktionstag koordiniert, die Anzahl der Sepsis-Todesfälle bis zum Jahr 2020 im Vergleich zu 2010 weltweit um ein Fünftel zu reduzieren, bleibt gespannt abzuwarten.
Falls ja, wird die Verbesserung der Händehygiene-Performance vermutlich einen entscheidenden Teil dazu beigetragen haben.
Quellen:
[1] Kumar, A., Roberts, D., Wood, K. E., et al. (2006). Duration of hypotension before initiation of effective antimicrobial therapy is the critical determinant of survival in human septic shock. Critical care medicine, 34(6), 1589-1596.
[2] Fleischmann C., Scherag A., Adhikari NK., et al. Assessment of Global Incidence and Mortality of Hospital-treated Sepsis. Current Estimates and Limitations. Am J Respir Crit Care Med 2016; 193(3): 259-72.
[3] Torio CM., Moore BJ.National Inpatient Hospital Costs: The Most Expensive Conditions by Payer, 2013: Statistical brief #204. In: Healthcare Cost and Utilization Project (HCUP) Statistical Briefs: 2016: Rockville (MD)
[4] Eckmanns T, Rath A, Brauer H, Daschner F, Rüden H, Gastmeier P (2001) Compliance der Händedesinfektion auf Intensivstationen. Dtsch Med Wochenschr 126(25-26):745–74
[5] Cure, L., Van Enk, R.: Effect of hand sanitizer location on hand hygiene compliance. American Journal of Infection Control, 2015, Vol. 43: 917-921
[6] Do WiFi-based hand hygiene dispenser systems increase hand hygiene Compliance? American Journal of Infection Control (2018)World Health Organization, 70. World Health Assembly (Hrsg.): Improving the prevention, diagnosis and clinical management of sepsis. Report by the Secretariat. 2017.
[7] Diefenbacher, S., et al. A quasi-randomized controlled before–after study using performance feedback and goal setting as elements of hand hygiene promotion. Journal of Hospital Infection (2019)
[8] World Health Organization, 70. World Health Assembly (Hrsg.): Improving the prevention, diagnosis and clinical management of sepsis. Report by the Secretariat. 2017.
[9] Rudd, Kristina E., et al. “Global, regional, and national sepsis incidence and mortality, 1990–2017: analysis for the Global Burden of Disease Study.” The Lancet 395.10219 (2020): 200-211.
[…] Sepsis: Prävention statt Therapie […]
[…] Hier ist an erster Stelle eine sorgfältige Händehygiene zu nennen. Denn in etwa 80% aller Fälle, werden Infektionen über diese übertragen. Mit jeder vermiedenen Infektion sinkt auch das Risiko, dass sich daraus eine lebensbedrohliche Sepsis entwickelt. […]